Mittwoch, 15. September 2010

Die weisse Stadt am Meer

2. Shanghai (05.09 - 08.09)

Etwa 1000 Kilometer südlich von Beijing liegt Shanghai, das im Gegensatz zur Hauptstadt weniger von historischer sondern von wirtschaftlicher Bedeutung ist und dementsprechend ein eher westliches Stadtbild hat. Spätestens hier verschwimmen die kulturellen Grenzen, hier feiern KFC, McDonalds und Starbucks ihren Siegeszug, junge Leute schwören auf American Apparel und ausländische Unternehmen setzen meist auf einen repräsentativen Standort im Financial District, vorzugsweise in einem der Gebäude, die die Skyline besonders prägen. Shanghai ist das Tor zum Westen und hat landesweit das höchste Pro-Kopf-Einkommen und etwa 20 Millionen Einwohner.

Während die Architektur in weiten Teilen Chinas aus Geldgründen nicht über reine Zweckdienlichkeit hinauskommt, ist in Shanghai alles möglich. Wo noch vor 30 Jahren Wasserbüffel grasten und Bauern ihre Ente einfuhren, steht heute einer der imposantesten Wolkenkratzerlandschaften der Welt, momentan dominiert vom 492 Meter hohen World Financial Tower. Die Fahrt mit dem Aufzug zur Spitze dauert etwa 90 Sekunden und beschert einem einen Ohrendruck, wie man ihn sonst nur vom Fliegen kennt. Für 2014 ist bereits die Fertigstellung des nächsthöheren Wolkenkratzers geplant, der eine Hoehe von 632 Metern erreichen soll.

Shanghai ist hell, laut, schnell, und genauso kam mir der viertägige Aufenthalt hier vor, die Zeit verfliegt ins Nichts. Am Tag fährt man auf die zweithöchste Aussichtsplattform der Welt und schaut vom hundertsten Stockwerk auf die Autos und Menschen, klein wie Miniatur-Modelle, und vier Stunden später sitzt man auf der Terasse einer Bar im siebten Stock mit Blick auf die Skyline bei Nacht, unter einem Himmel ohne Sterne. Diesmal nicht wegen dem Smog, sondern wegen der bunten Lichter der Stadt. Wahrscheinlich ist Shanghai der grösste Arbeitsmarkt für Lichtdesigner - geht die Sonne unter beginnen die Wolkenkratzer zu glitzern, blinken und leuchten, manche pulsieren in rot und schwarz, manche blenden in grellen Farben und sehr viele strahlen Leuchtreklame in überdimensionaler Bildfläche aus. Und so sitzt man in der Bar Rouge, geniesst seinen 80 Yuan-Longdrink (8 Euro. Shanghai is eben westlich) und wirft abwechselnd Blicke auf die unvergessliche Skyline und auf edel und aufreizend gekleidete Chinesinnen, die sich offensichtlich zu älteren Herren hingezogen fühlen, mit denen sie in einen philosophischen Diskurs verfallen. Wenn nämlich beide genau wissen, was in den nächsten Stunden passiert, kann das mit dem freien Willen nicht so ganz stimmen.



Kein Foto von uns, aber nur um ein kleines Stück von der Atmosphäre dort oben zu vermitteln.

Es ist übrigens Sonntag Abend und die Bar schliesst um zwei Uhr nachts, doch Shanghai schläft nicht und so ruft man noch ein Taxi. Für eine drei Kilometer lange Fahrt zahlt man selbst hier nicht mehr als drei Euro, in kleineren Städten und weiter westlich zahlten wir nichtmal einen Euro. Öffentliche Verkehrsmittel sind überaus preiswert in China, eine Stadtbusfahrt macht umgerechnet 20 Cent, ein U-Bahn-Ticket 30 Cent und eine 1500 Kilometer Zugfahrt im Schlafwagen erster Klasse gerade mal 40 Euro. Der höhere Preis in Shanghai wird dafür durch eine gehörige Portion Nervenkitzel wieder wettgemacht, und so raste der garantiert unter Drogeneinfluss stehende Taxifahrer durch den nächtlichen Verkehr bis zur nächsten Disco, wo er sich mit einem überglücklichem "OK" verabschiedete. Lil Jon hätte es nicht besser gekonnt. Mit dem Aufzug ging es hoch in den Club, der DJ war erstklassig, die Location sehr fein. Wer um fünf Uhr immer noch nicht genug hat, findet danach immer noch einen Ort um weiter Gas zu geben, für uns war hier allerdings Schluss - Shanghai ist hell, laut und schnell, hat aber eigentlich wenig mit dem Rest von China gemein. Wer sich aber nicht den vollen Kulturschock holen will, für den ist Shanghai sicherlich der ideale Startpunkt seiner Chinareise.

Ganz abgesehen vom Nachtleben und dem modernen Shanghai gibt es noch weitaus mehr zu sehen. Etwa Zhouzhuang, eine alte Wasserstadt, die ungefaehr 100 Kilometer entfernt ist. Der Ort wird auf Venedig des Ostens genannt. Ich lass hier einfach mal Bilder sprechen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen