Eine 25-Stunden Zugfahrt hat auch seine Vorteile: endlich bietet sich die Gelegenheit, den bisherigen Verlauf der Reise auf Papier zu bringen.
I. Beijing (30.08 - 04.09)
China ist gross und das ist Beijing als Hauptstadt und politisches Zentrum des kommunistischen Landes ebenfalls. Das ist wohl die erste Erkenntnis die man einmal angekommen macht, denn bereits die Architektur des Flughafens im Norden ist schlichtweg monumental und könnte auch der Feder Albert Speers entsprungen sein. Man fühlt sich schon etwas verloren, wenn man eine etwa 40 Meter hohe und 300 Meter lange Halle mit parabolförmigen Dach betritt, zudem es nur die Passagiere des Fliegers und eine ebenso grosse Anzahl an Staatsdienern sind, die sich diesen Raum teilen. Eine erste Ode an den Zementmischer und ein Beispiel der teils übertriebenen Zurschaustellung die sich noch öfters zeigen wird.
Xingke (spricht man in etwa wie "Sinke" mit stummen e) wartete bereits im Empfangsbereich auf uns und hatte sogar einen Fahrer organisiert, der mit einem Buick-SUV unterm Hintern wohl zu den härteren Verfechtern chinesischer Fahrkunst zählte. Der Verkehr funktioniert hier in etwa so: Ampeln werden weitestgehend beachtet, Zebrastreifen hingegen ignoriert. Als Verkehrsteilnehmer muss man wissen, dass sich die Anzahl der Fahrbahnen einer Strasse äusserst dynamisch verhält und so wird aus einer zweispurigen auch schnell mal vierspurige, je nach Bedarf. Ausserdem sollte man sicherstellen, eine überdurchschnittlich laute Hupe zu haben, denn ein Hupen heisst in China soviel wie "Achtung, jetzt komm Ich" und ersetzt Blinker, Lichthupe und diverse Verkehrsregeln. Dass sowas in einem unausweichlichen Chaos endet ist nicht die ganze Wahrheit, denn hinter der augenscheinlichen Egomanie und Willkür liegt ein Gespür für Ruecksichtsnahme und gegenseitige Beachtung, sodass der Verkehr letztendlich doch erstaunlich gut funktioniert. Zwar muss man sich öfters umsehen, dafür klebt aber zehn Zentimeter hinter einem kein dauergestresser und die Lichthupe inflationär gebrauchender Cayenne-Fahrer.
Nach halbstuendiger Autofahrt durch den immerwährenden Smog der Stadt kamen wir an eine bewachte Schranke, flankiert von zwei Backsteinsäulen mit der Inschrift "Paradise City". Ähnlich wie in vielen afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten existieren auch in China überwachte und abgeriegelte Wohnsiedlungen für die Oberschicht. Innerhalb der Mauern und Zäune befindet sich das Anwesen der chinesischen Familie, bei der wir zu Gast sein durften und die uns überaus freundlich empfing. Es bedarf schon ein gewisses Mass an Grosszügigkeit, wenn man nicht nur den Sohn der ehemaligen Gastfamilie des eigenen Sohnes sondern auch dessen drei mitgereisten Freunde in sein Haus aufnimmt. Ich glaube, das wäre in Deutschland nur schwer vorstellbar und spricht für die Gastfreundlichkeit dieses Landes. Der Fahrer (!) schenkte uns bei der Ankunft sogar eine Flasche Rotwein die wir dankend annahmen, ganz verstanden haben wir diese Geste allerdings nicht.
Nach einem verzweifelten Versuch den achtstündigen Jetlag in nur einer Nacht zu überwinden ging es am naechsten Morgen um 6:30 los - Xingke hat einen verdammt harten Zeitplan ausgearbeitet. Ich denke auf die einzelnen Tagespunkte der ersten Woche brauch Ich hier nicht näher eingehen - Tianmen-Platz, Verbotene Stadt (für die man mindestens einen halben Tag wenn nicht einen ganzen einplanen sollte), die Grosse Mauer und der Sommerpalast sind einfach Pflicht, wenn man Beijing bereist, auch wenn sich an diesen Sehenswürdigkeiten täglich tausende Touristen tummeln. Generell gilt fuer China, dass man den Zeitraum seiner Reise lieber ein Stück in die Nebensaison schieben sollte. Ausser den besagten Klassikern waren wir noch:
- In der Seidenstrasse, ein riessiges Kaufhaus mit nahezu unendlich vielen kleinen Geschäften. Vietnamesenmärkte an der tschechischen Grenze können einstecken, hier kriegt man wirkliches alles, mal mehr mal weniger original. Markenklamotten, Basketball- und Fussballtrikots, Sonnenbrillen, Rolex-Uhren, Schmuck, vor Ort massgeschneiderte Anzüge, Louis-Vitton & Samsonite, Modellflugzeuge, Jagdvisiere und so weiter und so fort. Wer hier nicht hart verhandelt, zahlt am Ende zuviel, die Verkäufer sind Profis und wissen wie man feilscht. Nach zwei Stunden dort drin ist man nervlich am Ende, kein Scherz.
- Art Factory, ein Künstlerviertel in einem verlassenen Fabrikgelände ausserhalb der Stadt. Mehr als hundert Gallerien voll mit Werken jeglicher Art, hier trifft sich die Creme de la Creme der modernen chinesischen Kunst. Die meisten Gallerien sind umsonst, einige verlangen einen geringen Betrag Eintritt. Das Ganze ist wie ein riesiges Museum, doch statt Stuck und Holzvertäfelung dominieren rostige Türen und broecklige Wände, nicht nur für Kunstinteressierte sehenswert.
- auf nem Martial Arts Turnier, Finale im Karate. Chinesen feiern Kampfsport.
- Standort der olympischen Spiele, Birds Nest & Watercube. Das Stadion und die Schwimmhalle werden seitdem nicht mehr genutzt und dienen als reine Touristenattraktion.
Und noch so einiges mehr. Am 4. September gings dann mim Nachtzug nach Shanghai.
Hier noch ein Aufruf, vielleicht liest das derjenige durch puren Zufall: am 3. September 2010 habe Ich eine Lumix-Digitalkamera im Beijing-Financial-District verloren, irgendwo in der Nähe von diesen einem verdammt hohen Gebäude. Bitte um ehrliche Rückgabe, Finderlohn garantiert.
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